"Es läuft so gut, weil ich verletzungsfrei bin"

Die Saison von Justus Nieschlag (Lehrte) läuft bislang richtig erfolgreich, unter anderem gewann er vor knapp zehn Tagen das Weltcuprennen in Madrid (Spanien). Im Interview spricht der 27-Jährige über Höhen und Tiefen der letzten Jahre, Freude und Zweifel der letzten Rennen sowie Hoffnungen und Chancen für die Zukunft.

2019 Madrid ITU Triathlon World Cup
Wenn man in einem Rennen mit anderen Athleten bis zum letzten Meter zusammen läuft, dann macht der Kopf den Unterschied aus, wer vorne landet.
Justus Nieschlag

Justus, du hast zuletzt im Weltcup die Ränge zwei in New Plymouth (Neuseeland) und eins in Madrid (Spanien) belegt. Es läuft bei dir …

Ich kann mich nicht beschweren (lacht). Ich habe gute Ergebnisse erzielt und es fühlt sich gut an nach dem vergangenen Jahr, als ich verletzungsbedingt nicht das zeigen konnte, was ich zeigen wollte.

Du bist erstmals zu einem Wettkampf direkt aus dem Höhentrainingslager gekommen. Es hat gut geklappt. Hast du dich vor dem Rennen in Madrid unsicher gefühlt, weil du keine Erfahrung hattest, wie sich das Höhentrainingslager auf die Wettkampfperformance auswirkt?

Ich war schon aufgeregt und habe auch ein bisschen gezweifelt. Wir haben eine Woche vor Madrid eine Vorbelastung gemacht und die habe ich so richtig versemmelt. Ich habe mir dann gedacht, eine vermasselte Generalprobe sollte ein gutes Rennen bedeuten. Aber so richtig daran geglaubt habe ich nicht, wenn ich ehrlich bin.

Bist du im Sport ein experimentierfreudiger Typ?

Ich bin derzeit nicht in der Position, Experimente zu starten, weil ich es mir nicht leisten kann, dass der Schuss nach hinten losgeht. Daher muss man immer abwägen, ob genug Zeit ist, um es zu korrigieren, falls es schief geht.

Du hast den Fünf-Kilometer-Lauf in Madrid von vorne laufend bestritten. Warst du so selbstsicher?

Ich denke, die letzten Rennen haben gezeigt, dass ich solche Rennen mitgestalten kann. Ich kann mir bewusst sein, dass ich ein Rennen auf dem Rad mitgestalten kann, ohne danach im Laufen angezählt zu sein und dass ich auch beim Laufen vorne mitmischen kann, ohne das mir am Ende die Kraft fehlt.

Ist so etwas Typsache oder kommt das durch Erfolge und guten Platzierungen?

Gute Rennen und gute Ergebnisse machen es einem einfach, selbstsicher zu sein. So etwas ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Aber ich traue mich durch die guten Rennen in den vergangenen Wochen, selbstsicher zu agieren.

Wie viel an einem Erfolg macht deiner Meinung nach der Kopf aus?

Der Kopf ist im Sport mit ein wichtiger Faktor. Ich würde behaupten, wenn man in einem Rennen mit anderen Athleten bis zum letzten Meter zusammen läuft, dann macht der Kopf den Unterschied aus, wer vorne landet. Deshalb ist er nicht zu vernachlässigen.

Machst du Mentaltraining?

Nein, das stand bisher nicht ganz oben auf der Agenda, da hatte ich größere Baustellen. Aber wir werden in der Zukunft sicherlich schauen, wo bei mir noch Potential liegt, wo wir noch etwas rauskitzeln können. Und wenn dies Mentaltraining sein sollte, werde ich das machen.

Rund eineinhalb Jahre vor deinem Sieg in Madrid hast du das Weltcuprennen in Huelva (Spanien) gewonnen. Bedeuten dir beide Erfolge gleich viel?

Ein Weltcup-Sieg ist erst einmal ein Weltcup-Sieg. Aber der in Madrid war für mich noch ein bisschen schöner, weil es für mich zurzeit wichtig ist, Punkte im Hinblick auf die Olympia-Qualifikation zu sammeln. Deshalb würde ich den Sieg von Madrid über den von Huelva stellen, obwohl Huelva mein erster Weltcup-Sieg überhaupt war.

Du bist dieses Jahr verletzungsfrei geblieben. Ist das der Grund, warum es so gut läuft?

Das ist der Hauptgrund. Ich kann normal trainieren, vom Umfang und von der Intensität her. Das ist der Schlüssel zum Erfolg, das war 2018 so nicht möglich.

2018 hattest du Achillessehnenprobleme. Es war nicht der erste gesundheitliche Rückschlag in deiner Karriere. Wie geht man mit so etwas um?

Es ist nicht besonders motivierend, wenn man ständig von Verletzungen ausgebremst wird. Die Achillessehnen-Geschichte hat schon arg an mir geknabbert, weil sie sehr langwierig war. Es gab Phasen, da konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich jemals wieder schmerzfrei laufen kann.

Hast du in dieser Situation ans Aufhören gedacht?

Ans Aufhören habe ich nicht gedacht. Aber es hat auch nicht viel gefehlt. Es war beruhigend zu sehen, dass andere Athleten, die solche Probleme hatten wie etwa Lasse Priester oder Nils Frommhold, es wieder zurück geschafft haben.

Sind Verletzungen so etwas wie der negative Begleiter deiner Karriere, der dir immer wieder im Weg stand?

Das kann schon sein, ich hatte ja immer mal wieder verletzungsbedingte Rückschläge. Ich denke, dass es mit der Umstellung meines Kraft- und Athletiktrainings, sowie Physiotherapie nun besser wird und ich in Zukunft weniger oder gar nicht mehr verletzt sein werde. Bisher haben wir unseren Job gut gemacht, dafür muss ich mich wirklich bei meinem ganzen Team um Dan Lorang (Trainer), Sabrina Hoppe (Reha, Kraft- und Athletiktraining), Alex Böer (Physiotherapeut) und Rainer Jung (Manager) bedanken.

2017 warst du Fünfter beim Rennen der World Triathlon Series (WTS) in Stockholm (Schweden), Anfang 2018 dann 15. beim WTS-Rennen in Abu Dhabi (Vereinigte Arabischen Emirate). Vermutlich wärst du sogar weiter vorne gelandet, wenn du nicht gestürzt wärest. Wie weit hat dich die Achillessehnen-Verletzung zurückgeworfen?

Es ist schade, dass die Saison diesen Verlauf genommen hat. Die Saison war bitter für mich, da ich wichtige Rennen und damit wichtige Punkte für das Olympic Qualification Ranking verpasst habe. Manchmal ist es aber auch nicht schlecht, geerdet zu werden und sich Gedanken zu machen, was man verändern muss. Das habe ich gemacht und das hat zu besseren Leistungen geführt. Wer weiß, ob ich das auch gemacht hätte, wenn es 2018 gut gelaufen wäre.

Wo willst du sportlich Ende dieses Jahres stehen?

Es wäre toll, wenn die Saison so weiter läuft und ich weiterhin gute Ergebnisse erzielen kann. Mir ist aber auch klar, dass es nicht selbstverständlich ist, bei jedem Weltcuprennen auf dem Podium zu stehen. Gespannt bin ich auf das WTS-Rennen in Leeds. Da geht es über die Olympische Distanz und es sind ein paar andere Kaliber im Vergleich zu Weltcuprennen am Start.

Und dann steht die Olympiasaison an …

Ziel ist es natürlich, die Aufholjagd im Olympic Qualification Ranking fortzusetzen. Ich habe noch ein Jahr Zeit, um gute Ergebnisse einzureichen. Das Ziel ist es, gute Rennen zu machen. Dann werden wir sehen, wozu es reicht.